7. Optimierung der Akustik in Abhörräumen

Endlich, es ist soweit. Du kennst nun die akustischen Probleme in Deinem Home-Studio und Du kennst die technischen Hilfsmittel zur Bekämpfung dieser Probleme. Mit diesem Wissen werden wir nun Schritt für Schritt an einer Optimierung arbeiten. Dafür nehmen wir exemplarisch einen rechteckigen Kellerraum typischer Größe. Generell gibt es viele verschiedene Akustikkonzepte für Abhörräume. Alle Konzepte haben Vor- und Nachteile. Diese im Einzelnen alle darzustellen, würde den Rahmen dieses Ratgebers aber deutlich sprengen. Wir orientieren uns daher am wahrscheinlich gängigsten, dem LEDE-Konzept (LEDE = Live End/Dead End).

1 – Wahl der Abhörposition

Zunächst muss man sich für eine geeignete Abhörposition im Raum entscheiden. Die wirklich optimale Position im Raum zu finden, ist ohne akustische Messungen eigentlich nicht möglich. Zu komplex ist das Schallfeld im Raum, um die beste Position intuitiv zu bestimmen. Allerdings gibt es dennoch einige Faustregeln an denen man sich orientieren kann.

Die erste Entscheidung, die Du treffen musst, ist, in welcher Raumrichtung Du Dich mit Deinen Lautsprechern orientieren möchtest. Sollen die Lautsprecher in die Länge oder die Breite des Raumes abstrahlen? Akustisch gibt es Argumente für beide Varianten. Ich möchte Dir empfehlen, die Lautsprecher so aufzustellen, dass Sie der Länge nach in den Raum abstrahlen. So erhältst Du eine deutlich ausgewogenere Basswiedergabe am Abhörplatz. Das Bassspektrum zeigt weniger ausgeprägte Einbrüche und Überhöhungen.

Der Grund ist, dass der Hörplatz weiter von der Rückwand entfernt ist. Reflexionen dieser Wand, die tieffrequente Raummoden in dieser Raumrichtung anregen können, sind aufgrund des längeren Laufweges weniger stark wirksam. Hinzu kommt, dass sich der Hörplatz bei typischen Raumgrößen und Lautsprecheranordnungen bei Abstrahlung in die Raumbreite mehr oder weniger in der Mitte des Raumes befinden wird, also genau dort, wo die tiefste Raumresonanz und ihre ungeraden Vielfachen ein Schalldruckminimum aufweisen. Bei Abstrahlung entlang der langen Wand rückt der Hörplatz, bei ansonsten gleicher Aufstellung aus der Raummitte heraus, was im Allgemeinen in einer besseren Modenverteilung am Hörplatz resultiert. Der Abstand der Seitenwände ist dann zwar zur Hörposition verringert, was zunächst zu stärkeren Kammfiltereffekten durch Seitenwandreflexionen führt. Dass sich dieser Nachteil nicht auswirkt, werden wir im Verlauf der weiteren Optimierung berücksichtigen.

Die Abhörposition wird in der Regel achsensymmetrisch zum Raum gewählt. Achsensymmetrie ist deshalb wichtig, da eine präzise Stereoabbildung mit gut zu lokalisierender Phantomschallquellen auf der Stereobasis nur dann möglich ist, wenn für beide Lautsprecher die gleichen Seitenwand-Reflexionsverhältnisse, bezüglich deren Laufzeit- und Pegelverhältnisse herrschen. Stehst Du näher an einer der beiden Seitenwände, treffen die starken Erstreflexionen von dieser Wand früher und lauter am Hörplatz ein als von der anderen Seitenwand. Die Phantomschallquellen werden dann zu dieser Wand hin verschoben oder sind nicht mehr eindeutig auf der Stereobasis zu lokalisieren. Das man unter Umständen dennoch von der Achsensymmetrie abweicht, liegt daran, dass man mit dieser Position auch automatisch im Punkt maximaler Auslöschung für die tiefste Raummode und deren ungeraden Vielfachen zwischen den beiden Seitenwänden sitzt. Dies kann sich wie schon bei der Raumhöhe negativ auf die Basswiedergabe auswirken. In der Praxis kann man daher auch etwas von der Symmetrieachse abweichen. Es reichen bereits 20 bis 30 cm, um eine günstigere Modenverteilung am Abhörplatz zu erzielen. Möglich ist dies, weil die starken Erstreflexionen der Seitenwände im Allgemeinen sowieso immer durch die Platzierung von Absorbern stark reduziert werden. Insofern wirken sich diese nach entsprechender Optimierung praktisch eh nicht mehr schädlich aus.

2 – Die richtige Platzierung und Ausrichtung der Lautsprecher im Raum

Für eine fehlerfreie Stereowiedergabe ist eine Aufstellung der Lautsprecher im so genannten Stereodreieck unabdingbar. Die beiden Lautsprecher bilden dabei mit der Abhörposition ein gleichseitiges Stereodreieck. Die Lautsprecher werden jeweils entsprechend um 30° zur Längsachse des Raumes eingedreht. Die der Lautsprecherbasis gegenüberliegende Dreieckspitze soll sich dabei knapp hinter dem Kopf des Hörers schließen. Die Größe des Stereodreiecks hängt von mehreren Faktoren ab, sollte für Zwei-Wege-Lautsprecher mindestens 1,5 Meter Abstand, für die größeren Drei-Wege-Systeme eher 2,5 Meter, betragen, damit die einzelnen Lautsprecherchassis einer Box als eine gemeinsame Schallquelle empfunden werden.

Auch der Abstand der Lautsprecher zur Vorderwand spielt eine große Rolle für die Wiedergabe. Lautsprecher strahlen tiefe Frequenzen nicht nach vorne gerichtet ab, sondern kugelförmig. Der tieffrequente Schall wird daher von dieser Wand zeitverzögert reflektiert. Bei einer Frequenz, deren halbe Wellenlänge dem doppelten Lautsprecherabstand zur Vorderwand entspricht, kommt es daher zu einer Auslöschung. Das gleiche gilt in abgeschwächter auch für ungerade Vielfache dieser Frequenz. Dieser Effekt wird als Speaker Boundary Interference Response (SBIR) bezeichnet und ist letztlich ein Kammfiltereffekt.

Du kannst diesem Effekt entgegenwirken, indem Du einen möglichst großen Abstand zur Vorderwand wählst. Je weiter die Reflexion wandern muss, umso schwächer ist sie und desto geringer fällt der resultierende Kammfiltereffekt aus. Klingt gut, kann aber in der Praxis nicht ausreichend sein und müsste durch absorbierende Maßnahmen hinter den Lautsprechern weiter bekämpft werden. Das Problem dabei ist aber, dass die Auslösung bei größeren Abständen zu tieferen Frequenzen verschoben sind und diese lassen sich nur schlecht mit Standardabsorbern bearbeiten.

Alternativ kannst Du die Lautsprecher möglichst wandnah aufstellen. Die Auslöschungen sind dann stärker, verschieben sich aber in einen höheren Frequenzbereich, der leichter mit Absorbern zu bearbeiten ist. Zwei Dinge gibt es dabei allerdings zu beachten. Bei Lautsprechern mit rückseitig angeordneter Bass-Reflexöffnung solltest Du einen Mindestabstand von etwa 10 cm einhalten, damit das Bassreflexsystem nicht gestört wird. Durch die wandnahe Aufstellung werden zudem tiefe Frequenzen aufgrund des Druckstaueffekts um 6dB angehoben. Bei Lautsprechern mit Raumkorrektur-Filter kannst Du diese Anhebung leicht kompensieren. Welche Herangehensweise letztlich besser ist, musst Du für Deinen Raum selbst ausprobieren.

Bei der Aufstellungshöhe der Lautsprecher empfehle ich Dir, diese so zu positionieren, dass sich die Hochtöner etwa auf Ohrhöhe befinden. Die Lautsprecher werden demnach nicht angewinkelt, sondern strahlen genau horizontal auf die Hörposition. Zum einen werden so Tisch- oder Mischpultreflexionen so gelenkt, dass Sie sich am Ohr nicht so stark auswirken, zum anderen ändert sich die Hochtonwiedergabe mit Kopfbewegungen nach vorne und hinten nicht, da Du Dich immer entlang der 0°-Achse bewegst. Off-Axis-Färbungen der Lautsprecher werden so nicht wirksam.

3 - Schaffung einer reflexionsfreien Zone


Nachdem Du die Abhörposition und den Aufstellungsort Deiner Lautsprecher definiert hast, kannst Du Dich an die Schaffung einer reflexionsfreien Zone (RFZ = Reflection Free Zone) um den Abhörplatz kümmern. Um was geht es dabei? Ziel ist es, um den Abhörplatz einen Bereich zu schaffen, der innerhalb eines bestimmten Zeitfensters nach dem Direktschall keine störenden Reflexionen aufweist. Diese so genannte Initial Time Delay Gap (ITDG) sollte im Bereich 17 bis 20 ms liegen. Das kannst Du damit erreichen, indem die starken, klangfärbenden Erstreflexionen der Wände und Raumdecke mit breitbandigen Absorbern bedämpft werden. Kammfiltereffekte werden reduziert und die Abbildung der Phantomschallquellen ist stabil und präzise lokalisierbar. Du musst nun herausfinden, wo die Absorber genau platziert werden müssen, um die störenden Erstreflexionen zu bedämpfen. Diese Erstreflexionspunkte kann man ganz einfach grafisch ermitteln. Grundvoraussetzung dafür ist, dass Schallreflexionen (zumindest modellhaft) dem Prinzip Einfallswinkel = Ausfallswinkel folgen. Gehe dabei wie folgt vor:

  • zeichne einen Grundriss Ihres Raum maßstabsgetreu auf
  • zeichne die Abhör- so wie die Lautsprecherposition ein
  • zeichne mehrere Strahlen in Farbe (z.B. Rot) vom rechten Lautsprecher zur rechte Seitenwand
  • zeichne die reflektierten Strahlen nach dem Prinzip Einfallswinkel = Ausfallswinkel ein
  • zeichne mehrere Strahlen in Farbe (z.B. Blau) vom linken Lautsprecher zur rechten Seitenwand
  • zeichne die reflektierten Strahlen nach dem Prinzip Einfallswinkel = Ausfallswinkel ein
  • wiederhole Sie das Verfahren für die linke Seitenwand, Vorderwand und Rückwand
  • erstelle einen Aufriss Deines Raumes und wiederhole das Verfahren für die Raumdecke
Abhörposition sowie Lautsprecherposition im Raum
Abhörposition sowie Lautsprecherposition im Raum

Zeichnen Sie die reflektierten Strahlen nach dem Prinzip Einfallswinkel = Ausfallswinkel ein
Zeichnen Sie die reflektierten Strahlen nach dem Prinzip Einfallswinkel = Ausfallswinkel ein

Strahlen vom rechten Lautsprecher zur linken Seitenwand
Strahlen vom rechten Lautsprecher zur linken Seitenwand
Wiederholen Sie das Verfahren für den linken Monitor
Wiederholen Sie das Verfahren für den linken Monitor
reflexionsfreie Zone um die Abhörposition
reflexionsfreie Zone um die Abhörposition

Überall dort an den Wänden und der Raumdecke, wo die reflektierten Strahlen direkt oder in unmittelbarer Nähe beim Hörplatz ankommen, müssen Absorber angebracht werden. Je größer Du die absorbierenden Flächen gestaltest umso größer wird dann auch die reflexionsfreie Zone um die Abhörposition. Die Absorberflächen sollen dabei immer auf Ohrhöhe angebracht werden. Die Bodenreflexion entfällt bei der Analyse, da an diesen Reflexionspunkten in aller Regel das Mischpult oder der Arbeitstisch steht. Diese Reflexion kann nicht durch Absorber eliminiert werden. Nur die Höhenaufstellung der Lautsprecher kann diese Reflexion positiv beeinflussen (siehe vorherigen Abschnitt).

4 – Bedämpfung der Raummoden

Die Bedämpfung der Raummoden erfolgen in der Praxis immer durch Absorber, die im Bassbereich wirksam sein müssen. Poröse Absorber und handelsübliche Diffusormodule sind prinzipbedingt nur sehr eingeschränkt wirksam. Breitbandabsorber oder Resonanzabsorber sind das Mittel der Wahl.

Am effektivsten kannst Du Moden in den Raumecken und -kanten bedämpfen, da sich hier tieffrequenter Schall besonders konzentriert. Ein weiterer Vorteil der Platzierung in den Raumecken ist, dass es unerheblich ist, ob die Resonanz zwischen Raumdecke und Boden, Vorder- und Rückwand oder den beiden Seitenwänden existiert. In den Raumecken kannst Du die Moden unabhängig ihrer räumlicher Orientierung bedämpfen. Im Zweifelsfall kannst Du die Absorber aber auch an allen Begrenzungsflächen anbringen, sollten die Ecken und Kanten nicht ausreichend sein oder aus Platzgründen nur eingeschränkt zugänglich sein. Es lassen sich dann aber nur die Raummoden bekämpfen, die zwischen diesen Begrenzungsflächen entstehen.

Eine Faustregel gilt bei der Bekämpfung von Raummoden in kleinen Räumen immer. Man kann praktisch nie genug Bassabsorption in den Raum einbringen. Im Umkehrschluss ist es praktisch kaum möglich, den Bassbereich vollständig zu linearisieren. Der Bassbereich lässt sich aber meistens soweit optimieren, um gute bis sehr gute Mischergebnisse zu erzielen.

5 – Optimierung der Nachhallzeit RT60

Die Optimierung der Nachhall- besser Abklingzeit kann ohne messtechnische Erfassung des Raumes in einer ersten Näherung nur rechnerisch oder anhand von groben Faustregeln erfolgen. Für die bestmögliche Optimierung kommt man um einen Akustiker, der Dir Raum misst, nicht herum. Da die rechnerische Erfassung und Auswertung des Raumes den Rahmen dieses Online-Ratgebers übersteigt, müssen wir uns auf Faustregeln beschränken.

Generell solltest Du bei der Reduktion der Abklingzeit immer mit breitbandig wirksamen Absorbern arbeiten. Die Absorber sollten bzgl. der Menge an Modulen gleichmäßig auf den Wänden und der Raumecke verteilt werden. Die Rückwand bleibt unter Umständen frei, je nachdem ob Du Dich entschließt, den Schritt 6 unserer Optimierung auch zu realisieren oder nicht. Große zusammenhängende Flächen sollten eher vermieden werden. Besser ist es, reflektive und absorptive Flächen abzuwechseln. Damit der Raum eine natürliche Lebendigkeit behält, müssen einige Reflexionen im Raum vorhanden bleiben. Ansonsten klingt der Raum unangenehm „tot“. Du kannst die Module dabei in Mustern (z.B. Schachbrettmuster) oder unregelmäßig verteilen.

Stellt sich noch die Frage, wie viel Absorber-Module notwendig sind, um die Abklingzeit signifikant zu reduzieren. Eine griffige Faustregel ist die 20%-Regel nach Phillip Newell. Diese besagt, dass man in einem Raum nur 20% der gesamten Raumoberfläche absorptiv gestalten muss, um den Nachhall effektiv zu reduzieren. In der Praxis kannst Du die Prozentzahl je nach persönlichem Empfinden bis auf 80% erhöhen. Für die Ermittlung der Gesamtoberfläche rechne Türen und Fenster auch als Wandflächen. Somit vereinfacht sich die Rechnung in unserem Rechteckraum auf:

Formel zur Berechnung
Formel zur Berechnung


In unserem Beispielraum sollten also für eine halbwegs gleichmäßige Abklingzeit mindestens 16,8 m² Fläche mit breitbandigen Absorbern bedeckt sein. Die Anbringung der Module kann an den Wänden und der Raumdecke erfolgen. Und was ist mit dem Boden? Im Allgemeinen wird ein harter Bodenbeleg (Parkett oder Laminat) als wünschenswert angesehen. Teppich ist grundsätzlich problematisch, da er für sehr hohe Frequenzen als sehr großflächiger Absorber wirkt. Bringt man nun noch zusätzlich poröse Absorber in den Raum ein, um auch die oberen Mitten zu behandeln, ist der oberste Frequenzbereich bereits überdämpft. Sollten Bodenreflexionen an einer bestimmten Stelle störend sein, ist es dann besser eine langflorige Teppichbrücke an dieser Stelle zu verwenden.

6 – Erhöhung der Diffusität

Dieser Optimierungsschritt ist nicht grundsätzlich erforderlich, kann aber die Wiedergabequalität noch einmal deutlich erhöhen. Das Grundkonzept von LEDE-Räumen besteht darin, den vorderen Bereich absorptiv zu gestalten, den Bereich hinter der Abhörposition diffus reflektiv. Das heißt nun nicht, dass Du den kompletten vorderen Bereich mit Absorber bedecken musst und den kompletten hinteren Bereich mit Diffusoren. Im vorderen Bereich reicht es, wenn Du Absorber dort platzierst, wo störende Reflexionen zum Abhörplatz gelenkt werden. Dabei sind normalerweise nur die Erstreflexionen relevant, da Zweit- und Drittreflexionen bereits so schwach sind, dass sie kaum noch störend wirksam werden.

Direktschall und Erstreflexionen, welche die Rückwand erreichen, sollen hingegen diffus in den Raum zurückgeworfen werden. Die Rückwand wird daher mit Diffusoren bearbeitet. Erweitern kann man dieses Konzept, wenn Du auch die hinteren Seitenwände und die hintere Raumdecke an den Stellen mit Diffusoren bedeckst, die noch nicht mit Absorbern bearbeitet wurden. Das Schallfeld wird dadurch räumlich gleichmäßiger verteilt (diffuser) und zeitlich gedehnt. Der Nachklang wird dadurch weiter linearisiert und der Raum klingt „Larger than Life“, also größer als er in Wirklichkeit ist.

Fertig! Wir haben unseren Beispielraum so weit wie möglich optimiert.

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